Uslar, Detlev von: Leib, Welt, Seele. Höhepunkte in der Geschichte der Philosophischen Psychologie. Königshausen & Neumann, Würzburg 2005, 257 Seiten.
Aus Hartmanns Überlegungen folgt, dass jegliche "Nichts-als-Erklärungen" unzulässig sind. So ist Leben niemals nichts als physikalisches und chemisches Geschehen; Bewußtsein ist niemals nichts als Hirntätigkeit; geistiges Sein ist niemals nichts als psychologisches Geschehen und kann folglich nicht allein daraus erklärt oder verstanden werden.
Ebenso hat Helmuth Plessner, in der Auseinandersetzung mit der Umweltlehre Jacob von Uexkülls, herausgearbeitet, dass der Mensch sich vom tierischen Sein unterscheidet durch seine "exzentrische Positionalität". Hier handelt es sich eben um eine andere Qualität - oder wie Hartmann sagen würde: um eine andere Seinskategorie. Hat das Tier eine Umwelt, in der es "angepflockt ist an den Pfahl des Augenblicks" (Nietzsche), so hat der Mensch neben der Umwelt eine Welt. Er kann aus der Umwelt heraustreten, über sie nachdenken, sie in Frage stellen. So springt er gleichsam in einer exzentrischen Weise aus ihr heraus, indes das Tier mit seiner "Zentralität" der Umwelt verhaftet bleibt.
Fehlen darf in einer solchen Darstellung natürlich
auch Martin Heidegger nicht. V. Uslar versteht es, die oft schwierigen Gedanken
Heideggers in gut verständlicher Weise wiederzugeben. In seiner
Seinsontologie stellt Heidegger die Frage nach dem Sein schlechthin. Wichtig
sind die Überlegungen zum In-der-Welt-Sein des
Menschen, sein üblicherweise Aufgehen im "man" und die ihm
zuwachsende Aufgabe, sich vom Man-Sein zum eigentlichen Selbst-Sein zu
entwickeln. Bedeutsam sind die Gedanken zum "Zuhandenen", all das, was dem
Menschen in der Welt an Dingen (z.B. Handwerkszeug) begegnet, die ihm sofort
größere Verweisungszusammenhänge eröffnen. In den "Existentialen" der
Zeitlichkeit, Geschichtlichkeit, und des Mit-seins wird das Dasein (der Mensch)
erst eigentlich verstehbar. Wenn Heidegger davon spricht, dass das Dasein ein
Vorlaufen zum Tode hin sei, dann wird es schon etwas mystisch. Im Kern geht es
aber wohl um die Erkenntnis der eigenen Sterblichkeit, die uns ebenso mit Angst
erfüllt, wie das Aufgeben des Man-Selbst. Durch diese Angst müsse der Mensch
aber hindurch, um zum eigentlichen Selbst-Sein zu kommen. Dieser eher düsternen
Sicht hat seinerzeit Friedrich Bollnow entgegengehalten, dass es bei
Heidegger ziemlich freudlos zugehe. Entwicklung sei aber auch in der Freude
möglich, wie schon Spinoza ausführte, wonach das Erreichen einer Stufe
höherer Vollkommenheit in das Gefühl der Freude mündet.
Gegen Heideggers Existenzialontologie ist immer wieder
eingewendet worden, dass sie den Leib vernachlässigt. Tatsächlich war es Medard
Boss (Daseinsanalytiker in der Schweiz), der das Leibsein oder die Leiblichkeit
als weiteres Existential einführte, wenn auch in engem Austausch mit
Heidegger.
Im Ganzen ein sehr lesenswertes Buch, in dem auch dem philosophisch nicht
Geschulten ein gut verständlicher Zugang zur Philosophischen Psychologie
ermöglicht wird. Den einen oder anderen Philosophen vermißt der Leser durchaus, besonders
hinsichtlich des Leibes (etwa V.v.Weizsäcker). Nietzsche kommt zu kurz, Schopenhauer wird
nicht erwähnt und die französischen Philosophen werden nur kurz genannt (Sartre, Ricoeur)
oder kommen gar nicht vor, was z.B. hinsichtlich Maurice Merleau-Pontys schade
ist.
Dipl.-Psych. Bernd Kuck,
Bonn
Oktober 2005
direkt bestellen: