Ursache und Sinn von Krankheit kann durchaus verfehlt werden, wenn diese nur organisch aufgefaßt und behandelt wird. Der Berliner Arzt, Psychotherapeut und Wissenschaftsautor Josef Rattner spricht sich in seinem Buch "Krankheit, Gesundheit und der Arzt" für die Ausbildung eines neuen Typus von Arzt aus, der seine Patienten nicht nur "repariert", sondern auch das Gemüt des kranken Menschen in seine Obhut nimmt: "Der Arzt der Zukunft wird Organmediziner, Psychologe und Philosoph sein müssen."
In einem weit ausgreifenden, auch geistesgeschichtlichen Bogen diskutiert Rattner Grundprobleme von Krankheit und Gesundheit und die dabei auf den (Seelen-)Arzt zukommenden, neuen Anforderungen. Der Zustand "Gesundheit" geht seines Erachtens weit über das bloße Fehlen von Krankheiten hinaus und schließt geistige Gesundheit ein. Darunter wird unter anderem Vernunft, geistige Unerschrockenheit, Mut und Hoffnung verstanden. Der Phänomenologie des Mutes und der Hoffnung als Gesundheitskriterien werden in dem Werk breite Passagen gewidmet.
Es wird damit ein Gesundheitsbegriff propagiert, der für Organmediziner vermutlich ungewohnt wirkt. Derzeit haben Ärzte noch wenig Verständnis für das neue Paradigma. Rattner hofft trotzdem, der Fortschritt der philosophischen Medizin werde nicht aufzuhalten sein. Mit dem Buch, seinem reifsten und schönsten Werk, legt dieser tief in der europäischen Kultur verankerte Humanist ein leidenschaftliches Bekenntnis ab zu einer philosophisch inspirierten Medizin und Psychologie.
Gerald Mackenthun, Berlin
(April 1993)
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