Adelheid Müller-Lissner: Passen Kinder in mein Leben? Eine
Entscheidungshilfe. Ch.Links Verlag, Berlin 2002 190 Seiten, 14,90 Euro, ISBN 3-86153-272-7
Kinder zu bekommen und mit Kindern zu leben ist nicht mehr
selbstverständlich. Etwa ein Drittel der jungen Generation bleibt
heute -
gewollt oder ungewollt - kinderlos. In akademischen, großstädtischen
Kreisen sind es bis zu 50 Prozent. Die Wahlfreiheit führte zu einer
Abkehr von
eigenen Kindern und einer Überwertigkeit des Berufslebens. Familien
mit Kindern steht eine wachsende Zahl Kinderloser gegenüber. Die Deutsche
Liga für das Kind spricht von einer fortschreitenden Entfremdung von
großen Teilen der Bevölkerung gegenüber Kindern. Das hat
gravierende Folgen für das gesamte Sozialgefüge nicht nur der
Bundesrepublik.
Die Balance der Generationen verschiebt sich hin zu den Alten. Warum
wollen Frauen und Männer heute (keine) Kinder? Viele wollen erst einmal
etwas aufbauen, finanziell auf eigenen Füßen stehen, ihre oft
lange Bildung zum Tragen bringen und sich im Beruf etablieren. Ehe sie
sich versehen, ist es zu spät - jedenfalls für Frauen. Ist ein
erfülltes soziales und ein erfolgreiches berufliches Leben überhaupt
noch machbar? Ist ein Leben mit Kindern unter der Dominanz von Stress und
Mobilitätsanforderungen noch attraktiv?
Die Berliner Journalistin Adelheid Müller-Lissner hat das Dilemma
in die Frage gefasst "Passen Kinder in mein Leben?" Offensichtlich lautet
die
Antwort immer öfter Nein. Die Fragen, die sich viele stellen und
die mutmaßlich unlösbar sind, setzen sich in Müller- Lissners
Buch fort. Ihre
Kapitel zu den Erwartungen an Kinder, dem Leben mit Kindern im Alltag,
der Elternwerdung von Paaren, der Kinderbetreuung als Beruf und dem Leben
ohne eigene Kinder schließen jeweils mit Fragen ab, die sich der
Leser beantworten sollte, um selbst mehr Klarheit zu gewinnen.
Aber die bewusste Beschäftigung mit dem Thema ist kaum mehr als
ein Trick. Die Entscheidung für oder gegen Kinder fällt ganz
woanders, jedenfalls weit im Vorfeld eines Buches. Andererseits kann ein
solches Buch, das alle Vor- und Nachteile noch einmal anhand von Interviews,
Fallgeschichten und eigener Anschauung der Autorin (sie hat drei eigene,
inzwischen fast erwachsene Töchter) auflistet, zumindest eine Hilfe
oder ein Anstoß sein. Und zwar in beiderlei Richtung, denn möglicherweise
wird die halbe Entscheidung gegen ein Kind zu einer ganzen.
Jedenfalls ist dieses Buch besser geschrieben und niveauvoller komponiert
als so mancher wohlfeile Ratgeber. Die eigene Erfahrung der Autorin gibt
dem Inhalt Gewicht, die Fragen an den grübelnden Leser sind geschickt
ausgewählt und lebensnah. Das Buch, das sich als Entscheidungshilfe
versteht, ist geeignet, noch einmal systematisch über die Kinderfrage
nachzudenken. Letztlich wird diese das Leben prägende Entscheidung
getragen sein von einem starken, kaum der Reflexion zugänglichen Wunsch
nach Kindern, der nur dann begründet werden muss, wenn die potenziellen
Eltern erkennbare personale Defizite haben.
Jene, die kinderlos bleiben wollen, werden ebenso ihre Gründe haben
- und manchmal daran leiden, auf die einmalige Erfahrung des Lebens mit
Kindern verzichten zu müssen. Dass das Leben mit Kindern kostspielig
ist, steht derzeit fast täglich in den Zeitungen. Dass es auch zermürbend
und erfolglos sein kann, liest man schon deutlich weniger. Viele Eltern
nehmen das bewusst in Kauf und stürzen sich in das bunte Leben mit
Kindern, bis Ruhe einkehrt und die Gören aus dem Haus sind.
Jene ohne Nachwuchs merken das Defizit vielleicht gar nicht, weil sie
anderweitig ein erfülltes und befriedigendes Leben führen. Und
einige werden
stumm leiden, weil das Schicksal oder ein selbst gewählter Entschluss
ihnen eigene Kinder versagte. Bemerkenswert bleibt es in diesem Zusammenhang,
dass es zwar Hunderte von Büchern über und für Paare mit
ungewollter Kinderlosigkeit gibt, aber so gut wie keine über gewollt
Kinderlose.
Gerald Mackenthun
Berlin, Dezember 2002
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Passen Kinder in mein Leben?