Hinterhuber, Hartmann: Die Seele - Natur- und Kulturgeschichte
von Psyche, Geist und Bewußtsein
Springer-Verlag, Wien New York 2001, 242 Seiten, 37 Abbildungen, 29,80 Euro.
"Die Seele schlechthin" - sie gibt es nicht. Es gibt viele
verschiedene Seelen und vor allem viele verschiedene Vorstellungen von
Seele, Psyche, Geist und Bewusstsein. Hartmann Hinterhuber,
Psychiatrieprofessor an der Universität Innsbruck, zeichnet die
facettenreiche Geschichte dieser Begriffe in dem Buch mit dem lapidaren
Titel "Die Seele" (Springer Verlag, Wien - New York 2001) nach. Neben der
Theologie sind es vor allem die Neurowissenschaften, die Psychiatrie,
die Psychologie, die Anthropologie und die Psychosomatik, die enorm viel
zu diesem ausufernden Thema beigetragen haben.
Vor allem die Ergebnisse der Neurowissenschaften lassen an der Existenz
der Seele zunehmend zweifeln, doch bleibt das Thema existenziell für
die Menschen, betont Hinterhuber. Seele bezeichne in der Regel die gefühls-
und
bildhaften Anteile des Menschen, oft im Gegensatz zur rationalen Denktätigkeit.
Im modernen Begriff der Psyche, wie er in Psychologie und Psychiatrie gebraucht
wird, kommt der metaphysische Anteil der Seele kaum
noch vor, was die Tiefenpsychologie mit ihrer Vorstellung vom "seelischen
Apparat" schon vor 100 Jahren mit anbahnte.
Auf knapp 250 Seiten zeigt Hinterhuber, welch ungeheurer Fundus sich
im Laufe der Jahrtausende angesammelt hat: aus Koran und islamischer Mystik,
Gnosis, ägyptischer Jenseitsglaube, griechischer Philosophie und hebräischer
Bibel, Hildegard von Bingen, Descartes, Spinoza und romantischer Medizin
besteht der Berg, von dem aus der Leser auf die neuere Entwicklung seit
Sigmund Freud blicken kann. Der Autor geht auf neue Namen für die
Seele wie Selbst, Ich und Identität ein und schließt das Buch
mit kurzen Überblicken über die Neurobiologie des Bewusstseins
und neueren Überlegungen zur Entstehung von psychischen Krankheiten
ab. Entstanden ist ein umfassendes Panoptikum der menschlichen Seele, geradezu
ein Nachschlagwerk, das trotz
des zusammengetragenen Wissens einen nicht unerheblichen Rest von Nichterklärbarem
der Seele übrig lässt.
Gerald Mackenthun
Berlin, Dezember 2001
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