Hans-Ulrich Grimm: Die
Ernährungslüge. Wie uns die
Lebensmittelindustrie um den Verstand bringt. 300 Seiten, mit Register und
Wörterbuch, Droemer Verlag, München 2003.
Haben wir es nicht schon immer geahnt? Lebensmittelskandale, Genfood, alle
möglichen E-Zusätze. Dass es da nicht mit rechten Dingen zugeht, ist so manch
einem klar. Die Zunahme der Allergien, rätselhafte Befindlichkeitsstörungen
und jetzt also geht es an das bisschen Verstand, den uns die
Lebensmittelindustrie auch noch raubt.
Das Buch ist auf jeden Fall "trendy". Es macht die Rechnung mit
der Angst der Verbraucher und bewegt sich immer auf dem Grad zwischen seriöser
Darstellung und allgemeiner Verteufelung. Das verführt dazu, der Verdrängung
Raum zu geben, besonders auch, wenn man den "Spiegel"-Stil nicht
wirklich mag. Und den jedenfalls hat der Autor als ehemaliger "Spiegel"-Redakteur
drauf. Aber kann man ihn damit einfach abtun? Mitnichten.
Worum geht es also? Um die industrielle Erzeugung von Lebensmitteln. Das
Auge isst mit, also haben wir den Food-Designer, der für den glanzvollen
Medienauftritt einer Fertignahrung sorgt. Dann soll es billig sein und
möglichst lange halten. Um dies zu erreichen, braucht es so ein paar
Zusatzstoffe. Und die haben es in sich. Besonders weit oben auf der Liste der
problematischen Stoffe stehen Glutamat und Aspartam. Ersterer Stoff ein
Geschmacksverstärker, letzterer ein Süßstoff. Wenn der Chemiecocktail, den
nebenbei jeder Nahrungsmittelkonsument zu sich nimmt, bislang schon dem Körper
heftig zu schaffen macht, so hat es den Anschein, dass unser Gehirn - zumindest
das in unserem Oberstübchen -, davon weitgehend verschont blieb. Da war die
Hirnschranke vor. Im Zeitalter des Gehirns und der Hirnforschung müssen wir
feststellen, so Grimm, dass es dem nun auch ans Leder geht. Glutamat und
Aspartam sind nichts geringeres als Neurotransmitter und damit haben sie
Einfluss auf die Kommunikation zwischen den Nervenzellen - wie übrigens Nikotin
ebenso. Damit nicht genug, leidet unser Gehirn an Unterernährung oder
doch zumindest falscher Ernährung. Ein Grund, warum sich Morbus Alzheimer
ausweitet? Ein Grund dafür, dass unsere Kinder immer häufiger an ADS leiden?
Dagegen gibt's dann Ritalin, dass - zumindest findet dies die
US_Rauschgiftbehörde - auf einer Stufe mit Kokain steht.
Wer übrigens denkt, er sei bei Bioprodukten auf der sicheren Seite, der
täuscht sich, denn da verbirgt sich das Glutamat im "Hefeextrakt" (S.
59). Und für die therapeutische Praxis wird es immer wichtiger werden,
den Patienten nach seinen Essgewohnheiten zu befragen, etwa nach seinem
exzessiven Diät-Cola Konsum, der nämlich zu Panikattacken führen kann (wegen
des Süßstoffs Aspartam, S. 84f).
Das Buch ist durchaus interessant zu lesen, wird jedoch bei vielen eine
Abwehr hervorrufen, andere werden sich in ihren Ängsten nur bestätigt fühlen.
Dazu trägt u.U. bei, dass der Autor nichts darüber sagt (vielleicht hat er es
in einem seiner anderen Bestseller getan), das bloßes Verteufeln auch nicht
recht weiterführt. Immerhin hat die Lebensmittelchemie auch dafür Sorge
getragen, dass wir von den natürlichen Giften - z.B. solche aus
Lebensmittelschimmel - weitestgehend verschont bleiben. Natur jedenfalls ist
nicht gleicht Gesundheit schlechthin. Aber schaden könnte es sicher
nicht, wenn jeder sich informiert und seine Ernährungsgewohnheiten, die meist
dem Fastfood verpflichtet sind, überprüft. Und wenn ich an meine Beobachtung
im Supermarkt denke - ja, auch ich, wenn auch nur selten -, dann will es mir
scheinen, dass viele Menschen viel für ihre Gesundheit tun könnten, wenn sie
weniger Masse und mehr Klasse kaufen würden. So wesentlich mehr Geld würden
sie dann vermutlich auch nicht ausgeben.
Schaden könnte es jedenfalls nicht, wenn unsere "Lebensmittel"
auf ihre Toxizität untersucht würden.
Bernd Kuck
Bonn, Mai 2004
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