Richard Dawkins: Und es entsprang ein Fluß in Eden. Das Uhrwerk der
Evolution. Aus dem Englischen von Sebastian Vogel. C.Bertelsmann Verlag,
München 1996, 190 S., DM 36,80
Der Mensch ist ein unverbesserlicher Sinnsucher. Alles soll einen Grund
und einen Zweck haben, auch die Erschaffung der Erde und die Evolution.
Die Vorstellung von einer teleologischen, das heißt auf einen Zweck
ausgerichteten Schöpfung ist freilich in die Kritik geraten.
Evolutionsbiologen warnen davor, menschliche Ideen von Gut und Böse auf die Natur zu übertragen. Zu ihnen gehört der Oxforder Richard Dawkins. Mit dem Buch "Und es entsprang ein Fluß in Eden" legt er eine neue Sichtweise auf das
"Uhrwerk der Evolution" (so der Untertitel) für ein breites Publikum
vor.
Der "Flu?" ist der breite Strom der Evolution mit seinen heute
vielleicht 30 Millionen Seitenarmen, damit sind die heute lebenden Arten
gemeint. Nicht Wasser fließt in dem imaginären Fluß, sondern Gene, jene
Erbinformationen, die von primitiven Urlebewesen ausgehend sich über
Hunderte von Millionen Jahren differenzierte. Gut 99 Prozent der
"Flußarme" sind nach Dawkins Schätzung schon "ausgetrocknet", die
meisten Spezies sind ausgestorben.
Auch Dawkins ist gepackt von der Frage nach dem Sinn dieses gigantischen
Lebensflusses. Entgegen seiner eigenen Maxime, bloß keine menschliche
Kategorien in die Biologie einzubauen, glaubt er
doch einen Zweck ausmachen zu können: Es ist das Überleben "egoistischer
Gene". Erbinformationen hätten nichts anderes im Sinn, als sich an
möglichst viele Nachkommen weiterzugeben, um ihr Überleben zu sichern.
Brutpflege und Hordenbildung lassen sich mit diesem faszinierenden
Ansatz gut erklären, aber darüber hinaus trägt er nicht weit. Altruismus
müßte unter diesen Bedingungen unmöglich oder zumindest eine Ausnahme
sein; selbst ein neutrales Verhalten gegenüber anderen Genträgern würde
einen evolutionären Nachteil bedeuten. Vollends versagt das Bild vom
egoistischen Gen beim Menschen. Warum lassen unsere Gene Monogamie,
Nächstenliebe und Scheidungen zu? Dawkins Prinzip wird in der Realität
oft mißachtet.
Das schmale Werk wurde eigens für eine neue amerikanische Serie namens
"Science Master" verfaß, einer auf zwölf Bücher angelegte Reihe mit
herausragenden zeitgenössischen Naturwissenschaftlern als
Autoren. Dawkins Buch ist das erste auf deutsch. Hierzulande wurde er
durch Bücher wie "Das egoistische Gen" (1978) und "Der blinde Uhrmacher"
(1987) bekannt. Viel Neues steht in dem Büchlein nicht. Doch beweist
Dawkins erneut, daß er in der packenden und verständlichen Darstellung
der Evolution und ihrer komplexen Gesetze unübertroffen bleibt.
Gerald Mackenthun, Berlin
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